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Wie steht es um die Körperwahrnehmung bei Ihrem Kind?

Wir stellen bei unserer Arbeit immer mehr fest, dass gerade dieser Wahrnehmungsbereich nicht gut entwickelt ist.

Der Mensch nimmt über verschiedene Wahrnehmungsbereiche auf:

  1. Augen – visuell – sehen
  2. Ohren – auditiv – hören
  3. Zunge – gustatorisch – schmecken
  4. Nase – olfaktorisch – riechen
  5. Haut – taktil – spüren, tasten
  6. Gleichgewichtsorgan – vestibular – Gleichgewicht
  7. Stellungs- und Spannungssinn der Muskeln – Propriozeption – Tiefenwahrnehmung

Diese sollten alle ausreichend stimuliert werden. So kann sich das Kind, der Schüler, sicherer und angemessener bewegen und auch mit sich und der Umwelt besser auseinandersetzen.

Dazu bedarf es neben vielerlei Bewegung auch unterschiedliche Stimulierung aller Sinne.

Bewegung und Wahrnehmung gehören unmittelbar zusammen. Nur dann können die Voraussetzungen geschaffen werden, die wichtig sind für alle Kompetenzbereiche. Diese beiden Bereiche legen die Grundlage für Lernen und Verhalten.

Wir möchten mit Ihnen heute eintauchen in das taktile Wahrnehmungssytem.

Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen und umhüllt und schützt uns. Wir können Kälte und Wärme empfinden, Druck und Schmerz. Sie schützt uns vor zu hoher UV-Strahlung und Krankheitskeimen.

Weiter ist interessant:

Die Haut ist das erste reagierende Sinnessystem des Menschen.

Bereits ab der 5. SSW reagiert der Fötus mit einer Rückzugsbewegung des gesamten Körpers auf einen Stimulus.

Wir wissen heute:

„Je besser die taktile Wahrnehmung eines Schülers differenziert ist, umso klarer sind das Körperschema und das Körperbild des Schülers.“

Zum Körperschema lässt sich folgendes sagen:

Das Gehirn kann sich erst dann ein genaues des Bild Körpers machen, je mehr Verknüpfungen und Verarbeiten es von Sinneseindrücken erfährt.

Man muss sich dies wie eine Art „Landkarte des eigenen Körpers“ im Gehirn vorstellen.

Und je genauer diese Landkarte bzw. das Körperschema ist, desto besser kann das Kind oder der Mensch auf eine Vielzahl von Bewegungsmustern zurückgreifen.

Ein gutes Körperschema ist also wichtig für die Orientierung im Raum, für das Schreiben auf Linien und in Kästchen, für die Orientierung auf dem Blatt und für das sich Zurechtfinden in Zahlenräumen.

Das Körperbild des Menschen beschreibt das Verhältnis zum eigenen Körper.

Es entsteht durch alle Empfindungen und persönlichen Erfahrungen mit der Umwelt.

Hat das Kind/der Mensch kein gutes Selbstbild kann sich das auch negativ auf sein Selbstbewusstsein auswirken. Kann sich das Kind nicht selbst „fühlen“ , kann es auch Probleme mit dem „Mitfühlen“ haben.

Das Kind muss seine Umwelt und das was es lernen will „be-greifen“ und „er-fassen“.

Leider werden heutzutage taktile Reize vernachlässigt.

In öffentlichen Einrichtungen gehen Türen automatisch auf, Fahrstühle bringen uns in höhere Etagen, man muss nur noch auf einen Knopf drücken, damit eine Arbeit gestartet wird, z.B. Geschirrspülmaschine, Waschmaschine, Teigknetmaschine.

Es gibt das Handy und den PC und somit können Nachrichten schnell versendet werden. Briefe schreiben ist schon lange nicht mehr „IN“. Das Zwischenmenschliche mit Blick- und Hautkontakt wird dadurch auch seltener.

Beim Abwaschen oder Abtrocknen des Geschirrs, beim Wäsche waschen oder beim Kneten eines Teiges gab es viele taktile Reize und Sinneswahrnehmungen im Gehirn.

Das Gehirn machte bei alltäglichen Arbeiten unbewusste Erfahrungen über die Form, die Länge, die Größe eines Gegenstandes. Das waren dann Grundlagen für spätere Lerninhalte.

Zum Glück wird ja in Kindertagesstätten noch viel mit den Händen gemacht, gebastelt, ausgeschnitten, geknetet, gematscht, gedrückt etc.

Wir können den Fortschritt nicht aufhalten, wir alle sind froh, über viele wertvolle Hilfsmittel, wie eine Spül- und Waschmaschine, auch das Handy können wir uns nicht mehr wegdenken. Das darf auch alles sein.

TROTZDEM  sollten wir unseren Kindern wieder so viele taktile Reize wie möglich ermöglichen.

Es ist interessant zu sehen, dass gerade Kinder, die eine geringe Toleranzgrenze taktilen Reizen gegenüber haben, sich ihre Hände nicht gerne schmutzig machen und Dinge wie Kneten, Matschen, Backen, Malen mit Fingerfarben, schnell beenden möchten. Auch Körpernähe lassen sie oft nicht zu.

Während des Schreibens dieses Blogartikels war ich (Brigitte) im Kindergarten und habe mit den Kleinsten eine Bewegungsstunde gemacht. Wir waren draußen auf der Wiese. Ich wollte, dass die Kids mal in den Vierfüßlerstand gehen, also auf die Knie und auf die Hände. Und tatsächlich konnten einige Kinder das Gras unter ihren Händen und Knien nicht haben und sind sofort wieder aufgestanden. Das sind dann auch die Kinder, die sich die Hände nicht schmutzig machen wollen und Dinge vermeiden, wie Fingerfarben malen, Teig kneten, mit Knete kneten etc.

Dabei sind gerade diese Reize, die über die Hände aufgenommen werden, so wichtig.

Manchmal ist es für diese Kinder oft auch schwierig neben einem Mitschüler zu sitzen, weil sie ständig dessen Nähe spüren. Sie fühlen sich nicht wohl, sind dadurch abgelenkt und weniger konzentriert.

Auf der anderen Seite gibt es auch Schüler, die sich selbst erst bei deutlich taktilen Reizen spüren.

Da kann es sein, dass sie eine Wunde vollkommen ignorieren oder bei ihren Mitschülern als „brutal“ erscheinen. Sie können das dann aber nicht verstehen, weil für Sie ist es normal, sie brauchen stärkeren „Druck“, damit sie sich spüren.

All diese Kinder brauchen viele taktile Reize und Unterstützung.

Den eigenen Körper wahrzunehmen, ihn kennenzulernen, ihn anzunehmen und in entsprechend einzusetzen, sind wichtige Grundvoraussetzungen für alles Lernen – auch das Lernen in der Schule.

Manfred Spitzer hat einmal gesagt:

„Wenn man irgendeine Aktivität nennen sollte, für die der Mensch optimiert ist, dann ist es beim Menschen das Lernen. Dass Menschen wirklich zum Lernen geboren sind, beweisen alle Babys. Sie können es am besten, sie sind dafür gemacht, und wir hatten noch keine Chance, es ihnen abzugewöhnen!“

Leider geht die Lust zum Lernen in der Schule so schnell verloren. Helfen Sie Ihrem Kind, dass es wieder Spaß hat, dass Lernen wieder mit Freude verbunden ist. Helfen und unterstützen Sie Ihr Kind, dass es alle Sinne ausreichend trainiert, dass auch Lernen über alle Sinne erfolgen kann! Dann wird das Gelernte gespeichert, dann kann Ihr Kind das Gelernte auch abrufen, dann hat es auch Erfolg, was letztendlich wieder zu Freude am Lernen führt

Nachfolgend 10 Tipps, wie Sie die taktile Wahrnehmung Ihres Kindes fördern können:

TIPP 1:

Körperwahrnehmungsübungen

Je nachdem, wie alt Ihr Kind ist, ist Körperkontakt wichtig, wie streicheln, massieren, schaukeln. Sie werden bald feststellen, was Ihr Kind mag.

Größere Kinder möchten vielleicht nicht mehr so gerne gestreichelt und massiert werden.

Sie mögen eher Massagegeschichten auf dem Rücken. Z.B. Pizzabacken, Schönwettermassage, Gartenarbeit, Tafelputzen etc.

Auch können Sie mit unterschiedlichen Materialien den Rücken bearbeiten und das Kind muss erraten, womit es berührt wurde.

Sie können Buchstaben oder Zahlen auf den Rücken schreiben und das Kind muss diese erraten.

Malen Sie einen Gegenstand auf den Rücken Ihres Kindes, Ihr Kind soll nun auf ein Blatt malen, was es gespürt hat.

Das Kind liegt auf dem Bauch und Sie berühren mit einem Bierdeckel oder einem kleinen Stofftier ein Körperteil und das Kind muss spüren und das Körperteil benennen.

TIPP 2:

Klatschspiele – mit einem Partner

Eigene Hände klatschen zusammen, rechte Hand klatscht in die rechte Hand des Partners,

eigene Hände klatschen zusammen, linke Hand klatscht in die linke Hand des Partners,

eigene Hände klatschen zusammen.

(Hier haben wir auch gleichzeitig eine Überkreuzung der Mittellinie!)

Spruch für ein Klatschspiel für Kinder in der Grundschule (aus dem Buch „Beweg Dich, Schule!“)

Eine kleine graue Maus. fuhr mit ihrem Auto aus.

Kam die Mäusepolizei, lässt die Mäuschen nicht vorbei.

„Nimm vom Lenkrad Deine Pfoten, Auto fahrn ist hier verboten!“

Was macht unsre kleine Maus – dreht sich um und geht nach Haus.“

TIPP 3:

Abfolgende Bewegungen mit dem eigenen Körper

  • In die eigenen Hände klatschen – auf die Oberschenkel klatschen – mit den Fingern schnipsen – Überkreuz mit den Händen auf die Schultern klopfen
  • Auf die Füße klatschen – auf die Oberschenkel klatschen – auf den Brustkorb klatschen – die Arme in die Höhe strecken

Variationen:

Zusätzliche Bewegungen dazu machen:

  • Mit der Zunge schnalzen
  • Pfeifen
  • Mit den Füßen stampfen

Zu den Bewegungen laut sprechen:

  • „Eins, zwei, drei, vier!“
  • „Ich bin top fit!“
  • „Schule macht mir Spaß!“

TIPP 4:

Spiegelbild

Sie und Ihr Kind stehen sich gegenüber.

Sie beginnen eine Bewegung vorzumachen, das Kind muss spiegelnd die Bewegung übernehmen.

TIPP 5

Im Haushalt mithelfen

Lassen Sie Ihr Kind beim Abwasch und Abtrocknen helfen. Führen Sie 1-2 mal in der Woche einen Geschirrspülmaschinen freien Tag ein und machen Sie mal wieder gemeinsam den Abwasch.

Backen Sie mit Ihrem Kind. Lassen Sie Ihr Kind den Teig kneten.

Malen mit Fingerfarben oder Schreiben mit Rasierschaum auf einer abwaschbaren Folie fördert immens die taktile Wahrnehmung der Finger und Hände.

Sollten Sie einen Garten haben, lassen Sie Ihr Kind bei der Gartenarbeit helfen. Lassen Sie es selbst ein Beet anlegen. Es kann harken, rechen, einsäen, Unkraut jäten, ernten.

TIPP 6:

Muskelanspannung

Lernen Sie Ihrem Kind, dass es bestimmte Muskeln anspannen kann und wieder lösen kann.

  1. Nehmen Sie einen „Zauberstab“ und berühren ein Körperteil. Das Kind soll nun den Muskel anspannen und erst bei nochmaligem Berühren den Muskel lösen. Das Kind soll nun spüren, wie sich dieser Bereich jetzt anfühlt.
  2. Sagen Sie Ihrem Kind, welches Körperteil es anspannen soll.
  3. Ihr Kind kann auch die Spannungskugel machen. Es liegt auch dem Rücken und spannt alle Muskeln des gesamten Körpers an. Auch diese Anspannung hält das Kind einen Moment und löst dann die Anspannung. Nachspüren!

TIPP 7:

Üben Sie das Werfen mit unterschiedlichen Gegenständen

Sie können unterschiedliche Bälle, Federn, Korken, Federbälle, kleine Steine, Blätter, Tücher, Papierbälle etc. benutzen.

Machen Sie Zielwerfen, Dosenwerfen, Korbwerfen. Ihr Kind merkt, dass es unterschiedliche Kraft aufwenden muss für unterschiedliche „Wurfgeräte“.

TIPP 8:

Luftballonübung – von ganz klein zu ganz groß

Diese Übung mache ich sehr gerne im Sport. Das Kind macht sich ganz klein, wie ein Luftballon. Es bläst dann in Gedanken nach und nach den Luftballon auf und dabei wird es immer größer und größer, bis es auf den Zehenspitzen steht mit hochgestreckten Armen.

Bei Klatschen dreht sich das Kind ganz schnell im Kreis herum und fällt dann wieder zu Boden und ist wieder ganz klein.

TIPP 9:

Würfelspiele

Sie benötigen dazu einen Würfel.

Jeder darf mal würfeln, alle machen die Übung.

Die Anzahl der gewürfelten Augen entscheidet, mit wie vielen Körperteilen der Boden berührt werden soll.

Beispiel:

Es wird eine 3 gewürfelt.

Dann können zwei Hände und ein Bein den Boden berühren Oder zwei Knie und eine Hand.

TIPP 10:

Mathespiele

Schreiben Sie eine Zahl auf ein Blatt. (Es kommt immer darauf an, in welchem Zahlenraum Ihr Kind schon arbeitet).

Nun sagen sie eine Zahl.

Ist die Zahl kleiner, als die auf dem Blatt stehende, geht das Kind in die Hocke.

Ist die Zahl größer, als die auf dem Blatt stehende, streckt sich das Kind auf die Zehenspitzen und macht sich ganz groß.

Variante:

Sie können auch kleine Rechenaufgaben sagen, das Ergebnis entscheidet dann, entweder in die Hocke zu gehen oder sich zu strecken.

Wir wünschen Ihnen viel Freude und gutes Gelingen bei der Umsetzung. Noch mehr Spaß macht es, wenn Sie diese Dinge mit der ganzen Familie machen. Es soll Spaß machen, es darf gelacht werden.

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